Du hast viel zu tun? Deine Woche ist vollgepackt mit Terminen? Du bist vielleicht sogar bei anderen als Hektiker bekannt? In diesem Artikel geht es um einen Menschen, der genau das von sich gesagt hat: Mich, Steffen. Es geht darum, wie ich von einem gestressten zu einem balancierten Leben gelangt bin.
Wenn Stress Normalität ist
Geschwindigkeit lag mir schon immer. Schon meinen Schulweg zur Grundschule bin ich gerannt. Nicht aus Zeitnot, sondern weil es mich faszinierte, Dinge schnell zu erledigen. Das zog sich dann im weiteren Verlauf meines Lebens durch. Ich war ungeduldig und wollte Dinge mit höchster Effizienz erledigen. Auf diese Weise konnte ich mehr in den Tag stopfen als andere. Meine Ausbildung zum Fallschirmjäger-Offizier unterstützte dieses Muster noch. Laufschritt, Druck, Drall, Geschwindigkeit. Ich sagte von mir selbst: “Ich bin eine Maschine”, und fand mich toll dabei.
Anfang meiner 30er Jahre gründe ich mein eigenes Unternehmen. Natürlich gehen mir die Aufbauprozesse nicht schnell genug. Ich stehe um 5 Uhr morgens auf und arbeite den ganzen Tag durch. Doch ich merke, wie mir mein innerer Druck zu schaffen macht. Ich bin unzufrieden, schlafe schlecht und bin tagsüber müde und kraftlos. Klar nehme ich mir auch mal eine Pause. Aber es ist eher eine Zwangspause. In mir arbeitet etwas, das die psychologische Methode Transaktionsanalyse einen “inneren Antreiber” nennt.
Stressige innere Antreiber
Ein innerer Antreiber ist ein psychologisches Muster, dass seine Träger unter Stress setzt. Es gibt fünf Stück:
- Sei gefällig!
- Sei stark!
- Streng dich an!
- Sei perfekt!
- Beeil dich!
Hier erfährst du mehr über Stress und innere Antreiber.
Mir ist völlig klar, dass ich einen “Beeil-dich”-Antreiber habe. Ich sehe seine Nachteile. Zum Beispiel, dass ich nicht schlafen kann, Gedankenkreisen, Erschöpfung und das allgemeine Gefühl von Belastung. Jedoch rechtfertige ich diesen Antreiber damit, dass ich auch schon viel geschafft habe. Darauf will ich Auch in Zukunft nicht verzichten.
Dann sammle ich eine Erfahrung, die mich verstehen lässt.
Hilfreicher Sichtwechsel
Im Urlaub buche ich mir einen Tauchgang, um möglichst viele schöne bunte Fische zu sehen. Wir tauchen in einer kleinen Gruppe mit einem Guide. Nachdem wir unter Wasser sind, bin ich darauf eingestellt, dass wir nun das Riff nach Fischen abtauchen. Doch nichts passiert. Der Guide bewegt sich so gut wie gar nicht vorwärts. Wir bleiben nahezu auf der Stelle stehen. Doch da wir unter Wasser sind, kann ich nicht sagen. In mir spüre ich den Drang, mich vorwärts zu bewegen. Doch das nützt mir jetzt nichts. Ich bin gezwungen, mich dem schnarchigem Tempo des Guides anzupassen.
Nachdem wir nun schon zehn Minuten so im Wasser dahin geschwebt sind, erwache ich aus meiner inneren Rage. Um uns herum schwimmen hunderte Fische. Ganz nah. So etwas habe ich noch nie zuvor erlebt. Ich schein ein Teil dieses Ökosystems zu sein, kein Fremdkörper mehr. Die Fische haben keine Angst mehr. Sie verhalten sich völlig natürlich. Wir beobachten, wie eine Schildkröte in ihrem Versteck bleibt. Sie flieht nicht mehr.
In diesem Moment komme ich zu einer Erkenntnis: Das richtige Tempo zur richtigen Zeit.
Ein so tolles Taucherlebnis hatte ich noch nie, obwohl es so öde angefangen hat. Klar hätte ich auch Fische gesehen, wenn ich schneller am Riff entlang getaucht wäre. Das volle Potenzial jedoch entfaltete sich erst durch das richtige Tempo.
Diese Erkenntnis möchte ich in mein Leben integrieren. Ich schaue fortan, was das geeignete Tempo für die gegenwärtige Tätigkeit sein könnte, um den vollen Moment herauszuholen. Essen mit Freunden wird für mich von der Nahrungsaufnahme zum zeitintensiven Beieinandersein.
Wege zu Fuß und mit dem Fahrrad sind keine notwendigen und störenden Pausen mehr zwischen zwei Tätigkeiten. Sie werden selbst zu Events, bei denen ich mich entspanne. Das wirkt sich auch auf die Strecke aus. Ich wähle nicht mehr den kürzesten Weg, sondern den schönsten. Auch meiner Selbständigkeit gebe ich mehr Zeit zum Wachsen. Schließlich habe ich mich selbständig gemacht, weil ich ein schöneres Leben haben möchte. Setze ich mich unter Druck, baue ich mir nur ein eigenes Hamsterrad. Und genau das will ich ja nicht mehr.
Ich hinterfrage jede noch so kleine Tätigkeit nach ihrem richtigen Tempo. Wie kann ich den Müll rausbringen und dabei das Beste für meine Lebensqualität herausholen? Wie kann ich auf die verspätete Bahn warten und es mir dabei gut gehen lassen? Wie nutze ich die Zeit, wenn meine Verabredung zu spät kommt? Wie gehe ich damit um, wenn andere langsamer wandern als ich? Und wie viele Aufgaben packe ich mir in meinen Tag?
Es geht nicht darum, nur noch langsam zu machen. Schnelligkeit ist auch gut. Sie ist aber nicht mehr der allein gültige Maßstab. Ein weiterer ist hinzugekommen: Lebensqualität.